Bittere
Heimat Almanya

Unsere erste Compilation erschien 2013 und bot eine Auswahl an Songs of Gastarbeiter. Ein Meilenstein. Denn Gastarbeiterlieder waren im Mainstream in Almanya bis dahin unbekannt. Die allermeisten Songs ließen wir unverändert, bei einigen entschieden wir uns für Remixe. Den Musiker Ozan Ata Canani baten wir darum, seinen Ohrwurm „Deutsche Freunde“ im Studio neu aufzunehmen, weil von diesem Juwel keine Aufnahme mehr existierte.

Die Biografien der Musiker*innen auf Songs of Gastarbeiter Vol.1, ihre musikalischen Stile, die Inhalte ihrer Songs sind unterschiedlicher als man vermuten mag. Wenn man sich die damaligen gesellschaftlichen Realitäten vor Augen führt und sich in die Lage dieser Generation versetzt, dann ist es nicht weiter überraschend, dass viele Musiker*innen Themen wie Sehnsucht und Trennungsschmerz behandeln (z. B. Mahmut Erdal, Gülcan Opel, Zehra Sabah) oder Almanya zur „bitteren Heimat“ deklarieren, wie Selda es in ihrem Cover des Ruhi-Su-Klassikers „Almanya Acı Vatan“ tut. Auch nicht weiter verwunderlich ist, dass die Arbeitsbedingungen im Betrieb und in der Fabrik eine herausgehobene Rolle spielen (u. a. Aşık Metin Türköz, Gurbetçi Rıza).

Die Gemeinsamkeit dieser Künstler*innen besteht für uns darin, dass sie Pioniere waren. Pioniere, weil sie sich nicht nur leidend, sondern auch kämpferisch und ironisch gaben und scharfsinnige Beobachter der deutschen Gesellschaft waren. Pioniere, weil sie neue Musikstile wie anatolischen Discofolk kreierten, sich im Crossover versuchten oder mit Sprechgesang experimentierten, lange bevor es deutsch-türkische Rapper gab. Pioniere, weil sie den Sound des Arabesk in Deutschland einführten, ebenso elegant wie virtuos mit dem Mix der Sprachen jonglierten und der deutschen Sprache einen eigenen Ton verliehen .